Dieter Gewies sprach zum Thema nachhaltige Ortsentwicklung

Nachhaltige Ortsentwicklung: Welche Aspekte sind wichtig und warum

Beim Thema Ortsentwicklung denkt man zunächst an die jederzeit sichtbaren Veränderungen in einer Gemeinde, nämlich an das durch die Bebauung geprägte Ortsbild. Aber eine Ortsentwicklung umfasst viele vernetzte Aspekte im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich.
Und das Thema Nachhaltigkeit hat oft den Ruf schwer fassbar zu sein. Denn konkrete Erfolgsfaktoren lassen sind kaum messen und damit erscheint eine Steuerung und Erfolgsermittlung möglich.
Aber Nachhaltigkeit ist generell betrachtet sehr einfach: Nachfolgende Generationen sollen mindestens so viele natürliche Ressourcen zur Verfügung haben, wie die aktuelle. Diese Betrachtungsweise war für das Wirtschaften im ländlichen Raum lange Zeit gang und gäbe. Im bäuerlichen, familiär geprägten Milieu ist dies heute noch so. Nun ist im Zuge der immer kürzeren Kapitalverwertungszyklen das Denken in größeren Zusammenhängen und Zeiträumen aus dem Blick geraten.
Um eine Ortsentwicklung nachhaltig zu gestalten, geht es nicht um schwammige Wohlfühlfloskeln oder vereinzelte Maßnahmen. So ändert eine PV-Anlage auf dem Schuldach oder die Wiederholung der Phrase vom sanften Tourismus nichts an der generellen Ausrichtung einer Gemeinde. Wenn die natürlichen Ressourcen nachhaltig bewirtschaftete werden sollen, muss zunächst eine Vision für die Zukunft entwickelt und die Bürger dafür begeistert werden. Aus dieser Vision müssen Strategien und Konzepte für alle Bereiche des öffentlichen Lebens abgeleitet werden: Welche Ressourcen stehen uns zur Verfügung, wie belastbar sind sie, wie soll ihre Nutzung in naher und vor allem ferner Zukunft aussehen. Die entwickelten Konzepte müssen dann „nachhaltig“ umgesetzt und in der täglichen Arbeit verankert werden
Dies klingt nach einer Herkulesaufgabe, aber es gibt mindestens eine Gemeinde in Bayern, die das sehr gut umgesetzt hat: Furth bei Landshut. Die Gemeindeentwicklung ist dort sehr konsequent am Gedanken der Nachhaltigkeit und damit der Verbindung von Ökonomie, Ökologie, Sozialem, Kunst und Kultur ausgerichtet. Diese eher abstrakten Begriffe sind in konkrete „Nachhaltigkeitsfelder“ übersetzt:

  • Bildung und Erziehung
  • Leben im Alter
  • Energie
  • Wasser
  • Biodiversität
  • Innenentwicklung statt Außenentwicklung
  • Verkehr und Finanzen

 

Die strenge Beachtung dieser Nachhaltigkeitsfelder hat zu einer sehr guten Infrastruktur, geordneten Finanzen trotz schwacher Steuereinnahmen und einer sehr hohen Lebensqualität geführt.
Dieses Beispiel zeigt, dass man als Kommune eine nachhaltige Strategie verfolgen und wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Man kann ein Leben im Alter attraktiv gestalten, die Jungen halten. Man kann Wasser in hoher Trinkqualität zur Verfügung stellen, die Innenentwicklung vorran treiben, CO2-neutral Energie bereitstellen, Verkehrskonzepte umsetzen und Natur- und Landschaftsschutz nachhaltig betreiben, wenn der politische Wille vorhanden und die Bürger einbezogen werden.

 

Der Stellenwert von Landschafts- und Naturschutz

Unsere Landschaft ist DIE natürliche Ressource, die nicht nachwächst, die nicht erneuerbar ist. Eine Landschaft, die zugebaut oder betoniert wird, ist für viele Generationen verloren.
Im Programm der Bündnisgrünen heisst es: >> Die Menschheit kultiviert die Natur und nutzt die Erde. Gleichzeitig sind wir Teil der Natur und bleiben trotz aller Wissenschaft und Technik von ihr abhängig. Die Vielfalt der Natur, den Reichtum ihrer Arten und die unwiederbringliche Eigenart naturnaher Landschaften schützen wir aus Respekt vor ihrem Eigenwert, aber auch weil eine intakte Umwelt für uns Menschen einen nicht in Zahlen messbaren Wert hat. Die Schönheit der Natur ist unbezahlbar. <<
Es gab in der Vergangenheit immer wieder Bestrebungen, den natürlichen Ressourcen einen monetären Wert zuzuschreiben, um ihren Erhalt – also nachhaltige Nutzung – zu fördern. Wir halten dies für einen Irrweg. Der Erhalt der natürlichen Ressourcen ist eine moralische Pflicht die sich aus der Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen ergibt.

 

 

Nachholbedarf für Aschau / Samerberg
Der Nachholbedarf in der Gemeinde Samerberg ist im Vergleich etwa zur erfolgreichen Gemeinde Furth, die ihren Kurs zur nachhaltigen Entwicklung seit etwa 20 Jahren verfolgt, riesig. Bisher ist am Samerberg die Grundlage mit dem Entwickeln der Vision und des Ziels der Nachhaltigkeit, noch nicht gelegt.
Dagegen haben einige benachbarten Gemeinden endlich das Thema Nachhaltigkeit auf ihre Agenda geschrieben. Ermutigend ist z.B. der Zusammenschluss des Interkommunales Entwicklungskonzepts (IKEK), bahnbrechend die Gründung der Bürger Energie Chiemgau Genossenschaft und richtungsweisend der geplante Bau eines Nahwärmnetzes in Aschau. Dort wird auch die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit unter großer Beteiligung der Bürger vorangetrieben.
Am Samerberg ist der Flächennutzungsplan über 40 Jahre alt, stammt also aus einer Zeit, als Nachhaltigkeit als Begriff noch nicht geläufig war. Generell werden hier Entscheidungen jedweder Art ad hoc getroffen. Eine übergeordnete, nachhaltige Strategie und daraus abgeleitete Konzepte existieren nicht. So werden in den von der Gemeinde errichteten Gebäuden immer noch fossile Heizungen eingebaut und nachhaltige Aspekte werden kaum berücksichtigt. Dabei müssen gerade öffentliche Gebäude mit hohem Energieverbrauch Vorbildwirkung haben. Die Bürger Energie Chiemgau eG wird daher in naher Zukunft alle kommunalen Gebäude in Aschau, Frasdorf und Bernau mit Photovoltaikanlagen ausstatten und die Versorgung mit regenerativen Energieträgern unterstützen.

Obwohl es Probleme mit der Wasserversorgung am Samerberg gibt, wurde zu keinem Zeitpunkt der sparsame Umgang mit unserer wichtigsten natürlichen Ressource ins Auge gefasst.

Stichwort Bildung am Samerberg: Weil es kein übergeordnetes Konzept für Bildung und Entwicklung gibt, musste kurz nach der Fertigstellung eines neuen Kindergartens in Samerberg, ein Container für die Kinder aufgestellt werden, da die Plätze nicht ausreichen.

Stichwort Jugendarbeit: Für einen Jugendclub in einem Gebäude, dass seit Jahren baufällig war, musste in Samerberg wegen dessen Abriss‘ improvisiert werden.
Außer in den Vereinen ist auch in Aschau kaum Jugendarbeit wahrnehmbar. Grundsätzlich wandert die Jugend wegen der in Prien ansässigen weiterführenden Schulen auch in ihrer Freizeit ab.

Ein wichtiger Erwerbszweig am Samerberg ist der Tourismus. In den jährlichen Beratungen geht es meist um die Steigerung der Übernachtungszahlen und die Erhöhung der touristischen Attraktivität. Eine nachhaltige Strategie, oder auch nur die Beschreibung der Grenzen des Wachstums und damit dessen, was wünschenswert und verträglich ist, existiert nicht.
In Aschau gibt die Topographie und die landwirtschaftlich geprägte Landschaft eigentlich vor, welche Urlaubsgäste mit welchen Erwartungen anreisen. So erhält Sachrang (Ortsteil von Aschau) den begehrten Titel „Bergsteigerdorf“ und Aschau selbst ist als „Bankerldorf“ bekannt geworden. Die Gemeindeverwaltung hat hier gute Arbeit geleistet, aber es ist noch immer nicht bei allen Kommunalpolitikern angekommen, welches Potential dahinter steckt. Dieses kann effizient verhindern, dass die Gemeinde andere Einnahmequellen durch Ausweisung von Gewerbegebieten ansiedeln muss.
Gemeinden wie der Samerberg und Aschau, deren herausstechendes Merkmal die Schönheit der Landschaft und Einzigartigkeit des Naturraumes ist, braucht noch mehr als andere eine Strategie zur nachhaltigen Entwicklung.

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